Dr. Thomas Benz
In dieser Forschung beleuchte ich europäische Identität in der Großregion Rheinland-Pfalz, Saarland, Luxemburg, Lothringen und der Wallonie. Anhand von formaler und nicht formalen Bildungsangeboten der Medien der Großregion versuche ich folgende Frage zu beantworten: Welche politischen und sozialen Bildungsziele im Hinblick auf europäische Integration werden im Großraum verfolgt? Dieser Frage zugrunde liegt eine Definition von Europabildung als identitätsstiftender transnationaler und kultureller Austausch, bei der der Bildungsbegriff sich hauptsächlich auf informelle Bildung bezieht (Busch, Lis & Teichmüller, 2016; Busch & Teichmüller, 2016). Informelle Bildung geschieht in sozialen und politischen Diskursen, zur Identifikation jener bediene ich mich theoretischen Vorstellungen eines hidden curriculum (William Pinar, 2006 u.a.). Das hidden curriculum ist ein Begriff, der aus der US-amerikanischen Disziplin der Curriculum Studies kommt und für die Anwendung in dieser Forschung mit inhärenter Bildungslogik übersetzt und angepasst wird. Die Auswahl der Diskursbestandteile erfolgt nach dem Grad der Autorität der Quelle. Autoritäten sind dabei Medienschaffende aus der Politik, sowie aus öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die eine gewisse Reichweite genießen. Für das Sampling ist diese Entscheidung maßgebend, da hier anstatt der oftmals zugrunde gelegten Reichweite von Einträgen aus Diskursen, jene Rationale als maßgebliches Inklusionskriterium dient.
Methodik:
Diskursanalysen haben ein breites Spektrum an Anwendungen, und als Label umfasst Critical Discourse Analysis (CDA) ebenso viele Forschungsrichtungen unter ihrem Dach (Fairclough, 2013; Bhaskar, 1986; Chouliaraki & Fairclough, 1999). Eine spezifische Anwendung von CDA liefert Fairclough (2001), veröffentlicht im Rahmen der Arbeiten von Mayer & Wodak (2001) und angewendet von Waller (2006). Bei Loyd Waller findet sich eine Operationalisierung der kritischen Diskursanalyse, welche ich auch für die vorliegende Forschung verwenden möchte. Anhand einer politischen Rede beginnt er mit der Interpretation der Rede anhand der Beschreibung des verwendeten Vokabulars und der rhetorischen Elemente, bevor er diese Elemente mit den zeitgenössischen politischen und ökonomischen Kontexten in Verbindung bringt (vgl. S. 285 - 286). Dieser Schritt repräsentiert die Dimension, die Waller (2006) unten als "Interpretation" bezeichnet.
Jener Schritt der Interpretation ist kritisch für die Anpassung der von Fairclough vorgeschlagenen Methodik, da im Zuge einer Interpretation ein theoretisches Konstrukt mit der Auswertungsrationale verbunden werden kann, um Auswertungskategorien zu kreieren. Jenes Konstrukt wird in der vorliegenden Forschung durch Ideen zu inhärenter Bildungslogik von medialen Erzeugnissen und einer angepassten Definition von Europabildung informiert. Die Forschung schließt neben textuelle Medienerzeugnisse auch Bilder und Filme mit in die Betrachtung ein. Dieses Vorgehen erfordert eine erweiterte Form der Beschreibung, die der semiotischen Sammlung (vgl. Fairclough, 2013, p. 123). Was der Autor ursprünglich als Semiose beschreibt, wird durch die Suche nach inhärenter Bildungslogik in dieser Forschung erfüllt. Das meaning making bezieht sich in meiner Forschung auf die Interpretation inhärenter Bildungslogik im gesammelten Material. Das Sampling für die vorliegende Forschung erschöpft sich also nicht in der bloßen Feststellung von medialen Erzeugnissen, vielmehr besteht das Sample aus einer Beschreibung von Inhalten (Semiosen), sowie von Produktions- und Rezeptionsbedingungen. Diese Form des Samplings befindet sich im wissenschaftlichen Kontext des grounded theoretical sampling (vgl. vor allem Bowen, 2020; Charmaz, 2016; Flemmen 2017). Anstatt der Reichweite der Einträge, die oft zum Zwecke von Diskursanalysen etabliert wird (z.B. Lee & Tan, 2017), erklärt sich die Inklusion von Einträgen in das Sample bei der vorliegenden Forschung durch eine Erfassung ihrer Produktionsbedingungen. Im Einklang mit der hier verwendeten Version von CDA findet eine Evaluation der Urheber*innen von medialer Produktion statt. Weisen die Verantwortlichen eine in der Großregion verankerte Struktur auf (zB. öffentliche Organisationen, Zeitungen, kommunale Verbände), so wird der Produktion eine erhöhte Relevanz zugeordnet und sie findet Eingang in das Sample.
1 Europäischer Wirtschaft- und Sozialausschuss (EWSA) (2018). Stellungnahme zur Europabildung, SOC/612.
2 Busch, M., Lis, T. & Teichmüller, N. (Hrsg.) (2017). Bildung grenzenlos vernetzen. Transnationale Bildungs- und Partizipationslandschaften in europäischen
Grenzregionen. Trebnitz.
3 Förster, H. (2013). Grenzregionen – Experimentierfelder für die Europäische Integration? In Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung Tübingen (EZFF) (Hrsg.), Jahrbuch
des Föderalismus 2013, 461-478.
4 Kultusministerkonferenz (2020). Europabildung an Schulen. Empfehlung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland.
5 Oberle, M. (Hg.) (2015). Die Europäische Union erfolgreich vermitteln. Perspektiven der politischen EU-Bildung heute. Wiesbaden.